"Vergleichende Analyse der räumlichen und zeitlichen Verteilung von Krebserkrankungsfällen in Gebieten mit hoher natürlicher Strahlenbelastung im Vergleich zur Umgebung des Zentralinstitutes für Kernforschung (ZfK) Rossendorf"
Erarbeitet vom PreCura Institut für Präventive Medizin Im Auftrag des Freistaates Sachsen vertreten durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie federführend auch für das Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung.
Jürgen Conrady, Matthias Nagel, Karl Martin
,
Dresden, Dezember 1996
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
1. Aufgabe und Methoden
Die Studie resultierte aus der Frage, ob zwischen den kindlichen Leukämiefällen in Lohmen und dem Betrieb des ZfK Rossendorf im Zeitraum 1956 bis 1990 ein Zusammenhang besteht. Da eine Studie mit wenigen Fällen keine verwertbaren Ergebnisse bringen kann, wurde die Fragestellung über einen Zusammenhang zwischen ionisierender Strahlung und Erkrankungssituation für Leukämien und andere Krebsformen auf ganz Sachsen und ein spezielles Untersuchungsgebiet im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf erweitert. Wegen der Besorgnisse in der Wohnbevölkerung über einGesundheitsrisiko im Umkreis um den Standort des ZfK Rossendorf und darüber hinaus, musste die Studie innerhalb etwa eines Jahres die ersten Aussagen zur Fragestellung bereitstellen. Die Studie stützte sich deshalb vor allem auf vorhandene Daten des ehemaligen Krebsregisters der DDR für den Zeitraum 1961 bis 1990 für die Gemeinden in Sachsen und die Aufarbeitung von Daten zur Strahlenbelastung der Bevölkerung durch Emissionen des ZfK Rossendorf von 1970 bis 1989 durch das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie.
Die Erkrankungshäufigkeit an ausgewählten Krebserkrankungen der Wohnbevölkerung von Gemeinden in der Nähe des ZfK Standortes wurde mit der Erkrankungssituation der Wohnbevölkerung von Gemeinden in ganz Sachsen durch die natürliche Strahlenexposition nach 8 unterschiedlichen Belastungskategorien verglichen. Dem liegt der Ansatz zugrunde, dass z.B. ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern und Erwachsenen in den Regionen nachweisbar sein müsste, deren Bevölkerung einer konstanten und wesentlich höheren Strahlenbelastung aufgrund natürlicher Ursachen ausgesetzt ist, als sie in der Umgebung des ZfK Rossendorf durch radioaktive Emissionen zusammen mit der dort ebenfalls wirkenden natürlichen Strahlenbelastung auftritt. Wird dagegen in der Bevölkerung in Gebieten mit deutlich höherer natürlicher Strahlenbelastung als in der Umgebung des ZfK Rossendorf kein erhöhtes Leukämierisiko nachgewiesen, ist ein Zusammenhang zwischen erhöhtem Leukämierisiko in der Umgebung dieser Anlage und den daraus erfolgten Emissionen eher unwahrscheinlich. Das heute im Strahlenschutz angewandte System der Äquivalentdosis und effektiven Äquivalentdosis gewährleistet die Vergleichbarkeit beliebiger Strahlenexpositionen.
Wegen der überwiegend unbekannten Ursachen für dieEntstehung von Leukämien und anderer untersuchter Krebsformen wurden neben der Strahlenexposition durch Emissionen aus dem ZfK Rossendorf und die natürliche Strahlenbelastung (Gamma - Strahlen aus dem Boden sowie Radongas) auch andere von der Wissenschaft diskutierte Ursachen in die Analyse einbezogen. Dazu gehören z.B. virale Ursachen, verschiedene Rückstände aus Deponien, Pflanzenschutzmittel und andere Einflussfaktoren nach Gemeinden und Kreisen in ganz Sachsen.
Die Studie orientierte sich an internationalen Erfahrungen bei der Durchführung von Studien zur Aufklärung eines Zusammenhanges zwischen Nuklearstandorten und Leukämien und verwendete für die Datenanalyse und zur Identifizierung von Krebsclustern modernste statistische Methoden.
2. Strahlenbelastung der Bevölkerung durch Emissionen des ZfK Rossendorf
Die im Normalbetrieb und durch Störfälle nach Emissionen aus dem ZfK Rossendorf verursachte Strahlenbelastung der im 10 km Umkreis ansässigen Bevölkerung wurde für den Zeitraum 1970 bis 1989 nach einzelnen Jahren und für die Organe rotes Knochenmark und Schilddrüse berechnet. Die Bewertung der Ganzkörperexposition erfolgte in Form der effektiven Äquivalentdosis.
Der zusätzliche Expositionsbeitrag durch Störfälle ist im Vergleich zur Strahlenbelastung infolge der Normalemissionen sehr gering. Unter Einbeziehung von Wetterdaten konnten Ausbreitungsrechnungen unter Berücksichtigung der Hauptwindrichtungen vorgenommen werden. Die nach konservativen Annahmen errechneten höchsten kumulativen Strahlendosen aus dem Normalbetrieb betragen für das rote Knochenmark 0,59 mSv für Kleinkinder und 0,31 mSv für Erwachsene. Die höchste kumulative effektive Äquivalentdosis beträgt 7,8 mSv für Kleinkinder und 2,46 mSv für Erwachsene. Im Vergleich dazu beträgt die Belastung durch natürliche Strahlung in der Umgebung des ZfK Rossendorf als effektive Äquivalentdosis im Untersuchungszeitraum 1970 bis 1989 ca. 60 mSv. Der größte Teil der Strahlenbelastung der Bevölkerung in der Umgebung des ZfK Rossendorf wurde danach durch die natürliche Strahlenbelastung verursacht.
Für die Schilddrüse betragen die nach konservativen Annahmen errechneten höchsten Werte durch Jod-131 235 mSv für Kleinkinder und 70,5 mSv für Erwachsene.
3. Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie werden in einer Kurzfassung, die veröffentlicht wird, und einem ausführlichem Forschungsbericht mit einem umfangreichen Anlagenteil vorgelegt.
3.1 Untersuchungsumfang
In der Studie werden folgende Krebslokalisationen, nach Geschlecht und Altersgruppen unterteilt, ausgewertet:
- Leukämien und Lymphome
- Morbus Hodgkin
- Non-Hodgkin Lymphom
- Multiples Myelom
- Lymphatische Leukämie
- Chronische Lymphatische Leukämie
- Myeloische Leukämie
- sonstige Leukämien
- Lungenkrebs
- Brustkrebs
- Schilddrüsenkrebs und
- Krebs gesamt
Allein die Gruppe Leukämien und Lymphome umfaßt für den Beobachtungszeitraum 1961 bis 1990 1.528 Fälle bei Kindern und 28.965 Fälle bei Erwachsenen für ganz Sachsen, die in die Auswertung einbezogen wurden. Für Schilddrüsenkrebs sind es für den gleichen Beobachtungszeitraum 24 Fälle bei Kindern und 3.799 Fälle bei Erwachsenen für ganz Sachsen. Die nachstehende zusammenfassende Ergebnisdarstellung beschränkt sich im wesentlichen auf die Erkrankungsgruppe Leukämien und Lymphome sowie auf Schilddrüsenkrebs.
3.2 Leukämien und Lymphome
Im Zeitraum 1961 bis 1990 wurden in den Gemeinden im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf 457 Fälle von Leukämien und Lymphome gesamt identifiziert. Für den Zeitraum 1980 bis 1990 sind es insgesamt 193 Fälle, davon 13 Fälle bei Kindern (0-14 Jahre). Damit konnten erheblich mehr Fälle als die bisher in der Öffentlichkeit bekannten kindlichen Leukämien in die Auswertung einbezogen werden, wodurch eine höhere Aussagekraft errreicht wird.
Das Erkrankungsrisiko für Leukämien und Lymphome im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf bei Kindern ist mit 13 Fällen erhöht und im wesentlichen auf 11 Leukämiefälle zurückzuführen (9 Fälle Akute Lymphatische Leukämie und 2 Fälle Myeloische Leukämie).
Eine signifikante und damit nicht mehr durch Zufall zu erklärende Erhöhung des Erkrankungsrisikos für Leukämien (ohne Chronische Lymphatische Leukämie) ist bei Kindern im 10 km Umkreis um den Standort des ZfK Rossendorf im Zeitraum 1980-1990 nachweisbar. Im Vergleich zum Normalwert ist das Leukämierisiko doppelt so hoch. Das Erkrankungsrisiko für Chronische Lymphatische Leukämie ist in der Altersgruppe 0-39 Jahre (männlich) signifikant erhöht. Für diese Gruppe besteht auch ein auffällig erhöhtes Risiko, an einem Non-Hodgkin Lymphom zu erkranken. Das Erkrankungsrisiko für Myeloische Leukämien ist dagegen in der Umgebung des ZfK Rossendorf in allen Alters- und Geschlechtsgruppen völlig unauffällig. Das ist auch für das Mammakarzinom bei Frauen (bei Männern liegen keine Angaben vor) und bis auf die Altersgruppe 0-39 Jahre (männlich) für das Krebsrisiko insgesamt (ohne Leukämien und Lymphome) zutreffend.
In Lohmen sind im Untersuchungszeitraum 1980-1990 3 Leukämiefälle bei Kindern aufgetreten, bei denen es sich ausschließlich um akute lymphatische Leukämien handelt.Das Erkrankungsrisiko ist damit für diesen Leukämietyp 16-fach erhöht und signifikant. Im Vergleich zur Erkrankungssituation aller Städte und Gemeinden Sachsens sind aber weder Lohmen noch andere Orte in der Umgebung des ZfK Rossendorf auffällig. Das ist darin begründet, dass Veränderungen des Erkrankungsrisikos im Beobachtungszeitraum generell nachweisbar sind, wobei die stärksten Effekte in zahlreichen Orten auftreten, die sich außerhalb des Untersuchungsgebietes um den ZfK-Standort befinden. Dem entsprechen auch die Ergebnisse einer flächendeckend für Sachsen durchgeführten Suche nach kleinräumigen Häufungen von Krebsfällen (sogenannten Clustern) der untersuchten Lokalisationen, die mit Hilfe eines speziellen, in Deutschland erstmalig angewandten Verfahrens GAM (Geographical Analysis Machine) objektiv identifiziert und statistisch bewertet wurden.
Im Ergebnis dieser für Sachsen durchgeführten Clustersuche wurden 94 Territorien identifiziert, in denen das Erkrankungsrisiko für Leukämien und Lymphome signifikant erhöht ist. Bei Kindern wurde in diesen Territorien überwiegend ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko festgestellt als für vergleichbare Lokalisationen in der Umgebung des ZfK Rossendorf. Das Untersuchungsgebiet um das ZfK Rossendorf wird nicht als Cluster abgebildet. Einzelne Gemeinden aus diesem Gebiet (z.B. Lohmen) werden aber in Cluster eingeschlossen, deren Zentren deutlich außerhalb des 10 km Umkreises um den ZfK Standort liegen. Hinsichtlich Clusterbildungen sind dagegen Gebiete südlich und südöstlich des Untersuchungsgebietes um den ZfK Standort auffällig.
Zusammengenommen haben Clusteranalysen keinen Anhaltspunkt für einen möglichen Zusammenhang zwischen radioaktiven Emissionen aus dem ZfK Rossendorf und einem erhöhten Erkrankungsrisiko der im Untersuchungsgebiet um das ZfK Rossendorf lebenden Bevölkerung für Leukämien und Lymphome ergeben. Diese Feststellung trifft auch für die Gebiete mit hoher natürlicher Strahlenbelastung zu, die insbesondere bei den strahlenempfindlichsten Bevölkerungsgruppen (Kinder und Frauen) und strahlensensitiven Leukämieformen auffallend frei von Clustern sind.
Ein Vergleich der Erkrankungshäufigkeit zwischen den 8 Regionen mit unterschiedlich hoher natürlicher Strahlenbelastung zeigt ebenfalls keinen Trend zu höheren Erkrankungsrisiken mit Zunahme der natürlichen Strahlenbelastung.
Die Beantwortung der Frage, ob zwischen den in der Umgebung des ZfK Rossendorf nachgewiesenen Gesundheitseffekten und der durch das ZfK Rossendorf verursachten Strahlenexposition ein Zusammenhang besteht, ist nicht trivial. Sie kann nur im Ergebnis der Abwägung und Prüfung verschiedener Plausibilitätskriterien erfolgen, die den Verdacht einer Kausalität bestätigen oder entkräften. Ein wesentliches - wenn nicht überhaupt das wichtigste - Kriterium ist die Höhe der Strahlenexposition.
Um z.B. eine Verursachung von Leukämien durch ionisierende Strahlung zu begründen, muss die einwirkende Strahlendosis ausreichend groß sein. Die Dosis, bei der eine Verdopplung des "normalen Erkrankungsrisikos" (Spontanrate) erwartet werden kann, beträgt ca.160 mSv bei Personen, die zum Zeitpunkt der Bestrahlung jünger als 20 Jahre waren. Berücksichtigt man wegen der geringen Intensität der Bestrahlung ein Reduktionsfaktor, verdoppelt sich diese Dosis auf 320 mSv.
Im Ergebnis der Ausbreitungsrechnungen wurde für die ungünstigste Einwirkungsstelle in der Umgebung des ZfK Rossendorf eine maximale Knochenmarkdosis von 0,6 mSv ermittelt. Diese Dosis ist mehr als zwei Größenordnungen zu klein, um die beobachtete Verdopplung des Leukämierisikos bei Kindern in der Umgebung des ZfK Standortes erklären zu können. Für Kleinkinder, die in Lohmen lebten, beträgt die Knochenmarkdosis nur noch 4,8 103mSv, d.h. diese Dosis ist mehr als vier Größenordnungen (10.000-mal) zu klein, um z.B. eine Verdopplung des Risikos für Lymphatische Leukämie bei diesen Kinder zu verursachen. Um diese Knochenmarkdosis für Kleinkinder in Lohmen zu erreichen, hätte die Emission aus dem ZfK Rossendorf so hoch gewesen sein müssen, dass Fälle von akuter und chronischer Strahlenkrankheit in der Bevölkerung im ZfK und dessen Umgebung verursacht worden wären.
Die dosimetrischen Befunde durch Emissionen aus dem ZfK Rossendorf für den Zeitraum 1970 bis 1989 und der Vergleich mit Regionen mit normaler und mehrfach höherer natürlicher Strahlenbelastung lassen radioaktive Emissionen aus dem ZfK Rossendorf als Ursache für die erhöhten Erkrankungsraten an Leukämien und anderen Krebsformen in der Bevölkerung des Untersuchungsgebietes daher als sehr unwahrscheinlich erscheinen.
Weitere Befunde, die gegen den vermuteten Zusammenhang zwischen erhöhtem Leukämierisiko und Emissionen aus dem ZfK-Standort sprechen, betreffen das Spektrum der beobachteten Veränderungen, speziell bei der Myeloischen Leukämie im Verhältnis zur Chronischen Lymphatischen Leukämie und zum Hodgkin Lymphom.
Im Gegensatz zu diesen Erkrankungen, die wie im Fall der Chronischen Lymphatischen Leukämie nicht durch ionisierende Strahlung induzierbar ist bzw. dagegen eine hohe Resistenz besitzt, wie das Hodgkin-Lymphom, ist das Erkrankungsrisiko für Myeloische Leukämie völlig unauffällig. Ein Anstieg der Erkrankungshäufigkeit dieser strahlensensiblen Leukämieform wäre in den höheren Altersgruppen zu erwarten gewesen, wenn das bei Kindern erhöhte Leukämierisiko in der beobachteten Größenordnung durch radioaktive Emissionen aus dem ZfK Rossendorf bedingt wäre. Ein derartiger Anstieg ist aber nicht beobachtet worden.
Das Erkrankungsrisiko für das Mamma Karzinom bei Frauen und alle anderen Krebsformen (ohne Leukämien und Lymphome) ist in der Umgebung des ZfK Rossendorf ebenfalls nicht erhöht. Auch dieser Befund ist mit der vermuteten Verursachung der kindlichen Leukämiefälle durch radioaktive Emissionen aus dem ZfK Rossendorf nicht zu vereinbaren, da anderenfalls erhöhte Risiken auch für diese Lokalisation nachweisbar sein müßten.
Bei der Prüfung anderer möglicher Erklärungen für die erhöhten Erkrankungsraten für Leukämien und Lymphome wurde eine Korrelation zwischen Orten mit erhöhten Erkrankungsraten im Untersuchungsgebiet um das ZfK Rossendorf und darüber hinaus mit Großanlagen zur Rinderhaltung mit hohem Durchseuchungsgrad mit dem Rinderleukosevirus und zu Deponien mit potentiell leukämogenen Bestandteilen gefunden, d.h. Orte in der Nähe dieser Objekte weisen signifikant häufiger erhöhte Leukämieraten der Bevölkerung auf. Diese Befunde sind nur als Hinweise für mögliche Erklärungen der erhöhten Erkrankungsrisiken für Leukämien und Lymphome zu interpretieren. Sie können als Arbeitsypothesen für weitergehende Untersuchungen dienen.
3.2 Schilddrüsenkrebs
Im Zeitraum 1961 bis 1990 wurden in den Gemeinden im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf 66 Fälle von Schilddrüsenkrebs identifiziert, davon ein Fall bei Kindern und 65 Fälle bei Erwachsenen. Für den Zeitraum 1980 bis 1990 sind es insgesamt 22 Fälle, davon ein kindlicher Fall. Schilddrüsenkrebs bei Kindern ist eine sehr seltene Erkrankung. Das wird auch daran deutlich, dass in Sachsen 1980 bis 1990 nur 16 Fälle bei Kindern in 12 Orten aufgetreten sind. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für den 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf wurde nur in der Altersgruppe 0-14 Jahre festgestellt und basiert auf einem Fall. Von einer generellen Erhöhung des Erkrankungsrisikos für Schilddrüsenkrebs für das gesamte Gebiet im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf kann deshalb nicht gesprochen werden. Eine nähere Betrachtung nach Abstandszonen zeigt dagegen in der Altersgruppe 0-39 Jahre im >3-5 km Umkreis eine statistisch signifikante Häufung der Fallzahlen für das männliche (1 Fall) und das weibliche Geschlecht (2 Fälle).
Im Ergebnis einer Clusteranalyse für Schilddrüsenkrebs in Sachsen wurden drei Cluster in der Altersgruppe 0-14 Jahre gefunden, die alle in der gleichen Region liegen, in die auch der Standort des ZfK Rossendorf eingeschlossen ist. Das Zentrum eines dieser Cluster befindet sich bei Gönnsdorf am Rand der 5 km Abstandszone vom ZfK Rossendorf. Für die Altersgruppe 0-39 Jahre, weiblich, wird ein Teil des 10 km Umkreises um das ZfK Rossendorf von Clustern eingeschlossen, deren Zentren sich allerdings außerhalb des speziellen Untersuchungsgebietes befinden. Für das männliche Geschlecht werden nur wenige Cluster für Schilddrüsenkrebs im südwestlichen Teil Sachsens gefunden. Für die Altersgruppe 0-99 Jahre sind in der näheren Umgebung des ZfK Standortes wieder Cluster vorhanden, die Teile des 10 km Umkreises einschließen. Insgesamt wurden für Sachsen 92 Clusterzentren für Schilddrüsenkrebs nachgewiesen.
Eine eindeutige Interpretation der Befunde zur Erkrankungshäufigkeit an Schilddrüsenkrebs im 10 km Umkreis um das ZfK Rossendorf und in angrenzenden Gebieten ist nach dem jetzigen Untersuchungsstand nicht möglich. Auf Grundlage der dosimetrischen Befunde für die Bevölkerungsexposition mit Jod 131 im Zeitraum 1970 bis 1980 und der Tatsache, dass die in die Untersuchung einbezogene Bevölkerung in einem Jodmangelgebiet lebt, kann das Erreichen relevanter Strahlendosen besonders bei einzelnen Kindern und Frauen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
4. Schlußfolgerungen und Empfehlungen
Die Befunde zu den Erkrankungsrisiken für Leukämien und Lymphome sowie für Schilddrüsenkrebs im Zusammenhang mit der Strahlenbelastung aus dem ZfK Rossendorf können die Notwendigkeit zusätzlicher aufwendiger analytischer Studien nicht begründen. Es wird jedoch empfohlen, die weitere Entwicklung insbesondere zum Schilddrüsenkrebs zu beobachten.
Die Arbeitshypothesen über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Rinderleukosevirus und Leukämieerkrankungen sowie leukämogenen Bestandteilen von Deponien und Leukämien sind erst auf ihre biologische und epidemiologische Plausibilität näher zu untersuchen, ehe diese Befunde Ausgangspunkte analytischer Untersuchungen werden können. Dem Auftraggeber wurden dafür in der vorliegenden Studie spezifische Vorschläge für eine mögliche stufenweise Vorgehensweise unterbreitet.