Einfluß des Faktors Rauchen auf die Schätzung des Radonrisikos
J. Lembcke
24.09.00
Zusammenfassung
In diesem kleinen Artikel wird der Nachweis angetreten, daß falsche oder fehlerbehaftete Angaben zum Rauchen einen wesentlichen Einfluß auf die Schätzung des Lungenkrebsrisikos durch Radon haben. Dieser Einfluß kann sich nicht nur in einer deutlichen Über- oder Unterschätzung des Lungenkrebsrisikos durch Radon niederschlagen, sondern überraschend auch dazu führen, daß plötzlich nicht signifikante Zusammenhänge signifikant werden. Insofern stellen sich bei Radon - Studien, die das Rauchen nur ungenügend kontrollieren oder einen überproportional hohen Anteil Raucher unter den Kontrollen aufweisen nicht nur die Risikoschätzungen in Frage, sondern ebenso die berechneten Signifikanz-Werte.
Berücksichtigung des Confounders Rauchen
(Diese Betrachtungen beziehen sich auf die Studien Schneeberg [i] und BRD [ii])
Da das Rauchen unbestritten der wichtigste Risikofaktor unter den exogenen Einflußgrößen ist (siehe Studien von Doll [iii] 1953, Hammond [iv] 1966 oderDoll/Peto [v] 1976) spielt die Analyse der Rauchervergangenheit eine ganz besondere Rolle. In einer Untersuchung von Lubin [vi] u.a. 1984 wird festgestellt, daß das relative Lungenkrebsrisiko unter den Zigarettenrauchern etwa bei 10 liegt. Bei Zigarren- und Pfeifenrauchern ist es allerdings um Einiges niedriger. Wir haben die folgenden Thesen:
THESE 1:
Die Power einer Studie zum Nachweis eines Lungenkrebsrisikos durch Radon ist je geringer, je höher der Raucheranteil unter den Kontrollen ist.
THESE 2:
Bei einer Unterschätzung des Lungenkrebsrisikos durch Rauchen (z.B. durch ein BIAS, durch Auswahlkritierien für die Kontrollen usw.) besteht die reale Gefahr der Überschätzung des Lungenkrebsrisikos durch andere Einflüsse.
THESE 3:
Bei einer Überschätzung des Lungenkrebsrisikos durch Rauchen besteht folglich eher die Gefahr der Unterschätzung des Lungenkrebsrisikos durch andere Einflüsse.
In den beiden folgenden Tabellen betrachten wir die Raucheranteile nach Geschlecht innerhalb der Studien im Vergleich zum Bundesdurchschnitt.
Tabelle 1: Anteil Raucher innerhalb der Studienpopulationen
Studie | Fälle | Kontrollen |
BRD [ii] | 98.1 % | 76.7 % |
Schneeberg [i] | Keine | Keine |
Vgl. Bundesgebiet [vii] | 34.6 % |
Tabelle 2: Anteil Raucherinnen innerhalb der Studienpopulationen
Studie | Fälle | Kontrollen |
BRD [ii] | 69.4 % | 39.8 % |
Schneeberg [i] | 22.2 % | 6.1 % |
Vgl. Bundesgebiet [vii] | 20.6 % |
Es scheint nun nicht schwer festzustellen, welche Studien eher zu einer Unter- und welche zu einer Überschätzung des Raucherrisikos neigen. Wir betrachten die folgende Tabelle:
Tabelle 3: Schätzungen des relativen Lungenkrebsrisikos durch Rauchen
Parameter | BRD [ii] Männer | BRD [ii] Frauen | Schneeberg [i] Frauen |
Rohes OR LK-Risiko durch Rauchen | 16.1 | 3.2 | ?? |
Rohes Rel. Risiko (Fälle vs. Studienkontrollen) | 15.7 [1] | 3.4 | 4.4 |
Rohes Rel. Risiko (Fälle vs. Bundesgebiet) | 97.6 | 8.7 | 1.1 |
Mögl. Einfluß auf Schätzung des LK-Risikos durch Rauchen: | Unterschätzung | Unterschätzung | Überschätzung |
Mögl. Einfluß auf Schätzung des LK-Risikos durch Radon: | Überschätzung | Überschätzung | Unterschätzung |
(Die Daten aus Tabelle 3 sind natürlich mit Vorsicht zu genießen und geben lediglich Anhaltspunkte für eine bestimmte Denkrichtung.)
Vorgehensweise
In der Deutschen Radonstudie [ii] ist der Raucheranteil unter den Kontrollen mit 76.7 % (Männer) sehr hoch und folglich gibt es keinen so großen Unterschied zum Raucheranteil unter den Fällen mit 98.1 % (Männer) mehr. Der Bundesdurchschnitt liegt aber bei 34.6 % (Männer). Wie schlägt sich das in der Risikoschätzung für Radon nieder? Dazu gehen wir wie folgt vor:
- Wir nehmen die Radonexposition der Schneeberger Fälle und Kontrollen.
- Es werden nun zufällig folgende Raucherquoten für Fälle und Kontrollen erzeugt.
Tabelle 4: Mittels Zufallszahlen erzeugte Raucherquoten
Raucherquoten | Smoke1 | Smoke2 | Smoke3 |
Kontrollen | 20 % | 55 % | 82 % |
Fälle | 89 % | 89 % | 89 % |
Für die Expositionskategorien benutzen wir die folgende Tabelle der Schneeberger Studie.
Tabelle 5: Odds Ratio 5 (ohne Stratification)
Kategorie | OR | p - Wert |
1 | 1 | |
2 | 0.46 | 0.056* |
3 | 0.37 | 0.048* |
4 | 0.87 | 0.770 |
5 | 3.26 | 0.008* |
Ergebnisse
Die Analyse erfolgt mittels Stata™. Dazu wird das Excel - File in eine Stata™ - File transformiert und analysiert. Ohne Stratification bzgl. Rauchen ergeben sich natürlich wieder die Werte aus Tabelle 5. Wir haben die Tabelle 6. Wir erinnern: Bei "Smoke1" haben wir unter den Kontrollen eine Raucherquote von 20 %. Bei "smoke3" jedoch 82 %. Die Folge davon ist, daß bei den OR Unterschiede von +27 % bis +74 % auftreten. Es kommt zu einer deutlichen Erhöhung des Risikoanteils des Radons.
Tabelle 6: Odds Ratio mit Stratification bzgl. Rauchen
Odds Ratio f�r Raucherquoten
Kategorie | Ohne |
Smoke1
80 % NR |
Smoke2
45 % NR |
Smoke3
18 % NR |
£ 50 Bq/m³ | 1 | 1 | 1 | 1 |
50 – 209.375 Bq/m³ | 0.46(*) | 0.36 | 0.53 | 0.46(*) |
209.375– 429.167 Bq/m³ | 0.37* | 0.23* | 0.32* | 0.37* |
429.167– 916.67 Bq/m³ | 0.87 | 0.64 | 0.80 | 0.84 |
> 916.67Bq/m³ | 3.26* | 1.82 | 2.89* | 3.18* |
Rauchen | 37.6* | 6.1* | 1.6 |
Diskussion der Ergebnisse
Da wir genauer analysieren wollen, welches Resultat sich aus einer zu hohen Raucherquote unter den Kontrollen ableiten läßt, nehmen wir für den Moment an, daß die Spalte "Smoke1" mit einer Raucherquote von 20 % für unsere Beispielstudie repräsentativ wäre. Wir gehen der Frage nach, welche Konsequenzen eine durch unbegründetes BIAS deutlich höhere Raucherquote unter den Kontrollen nun hat.
1. Schätzung des Odds Ratio
Wir vergleichen die Spalten "Smoke1" und "Smoke3" aus Tabelle 6. Die Raucherquote unter den Fällen beträgt 11 %. Folglich ist das Lungenkrebsrisiko durch Rauchen für die Population "Smoke1" mit 37.6 deutlich höher als für die Population "Smoke3" mit 1.6. Wir erinnern an die o.g. These 2. Da das Raucherrisiko in der Population "Smoke3" sehr niedrig ist, wird dem Lungenkrebs durch Radon in jeder einzelnen Expositionskategorie in der Population "Smoke3" ein deutlich höheres Risiko zugeordnet, als in der Population "Smoke1".
2. Signifikanz der Schätzungen
In der Population "Smoke1" ist neben dem Rauchen nur die 3. Expositionskategorie signifikant. Das ändert sich deutlich in der Population "Smoke3". Plötzlich ist neben der 3. Expositionskategorie auch noch die 5. signifikant auf dem 5 % - Niveau und die 2. "fast" signifikant mit p = 0.056. Allerdings ist nun das Rauchen mit p = 0.27 nicht länger signifikant. Das liegt freilich daran, daß der Unterschied in den Raucherquoten zwischen Fällen (11 %) und Kontrollen (18 %) in der Population "Smoke3" nur noch minimal ist.
3. Korrelationen
Wir haben die (Text folgt)
Tabelle 7: Korrelationsquotienten Radon - Rauchen
Korrelationen | Expositionskategorien | P - Werte |
Smoke1 | 0.1337 | 0.011 |
Smoke2 | 0.1180 | 0.025 |
Smoke3 | 0.0695 | 0.188 |
Es nehmen die Korrelationsquotienten zwischen Radon (in Kategorien) und dem Rauchen mit zunehmender Raucherquote ab. Um dies zu erklären, bemerken wir zunächst, daß es eine hoch - signifikante positive Korrelation zwischen den Fällen/Kontrollen und Radon (in Kategorien) gibt. Der Quotient ist 0.1675. Des weiteren gibt es aufgrund der Wahl der Raucherquoten einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen Fällen/Kontrollen und den Raucherquoten. Bei "Smoke1" ist der Unterschied im Rauchverhalten zwischen Fällen und Kontrollen sehr groß, bei "Smoke3" sehr klein. Beide Korrelationen finden sich nun gemeinschaftlich in Tabelle 7 wieder.
Zusammenfassung
In diesem kleinen Artikel wird der Nachweis angetreten, daß falsche oder fehlerbehaftete Angaben zum Rauchen einen wesentlichen Einfluß auf die Schätzung des Lungenkrebsrisikos durch Radon haben. Dieser Einfluß kann sich nicht nur in einer deutlichen Über- oder Unterschätzung des Lungenkrebsrisikos durch Radon niederschlagen, sondern überraschend auch dazu führen, daß plötzlich nicht signifikante Zusammenhänge signifikant werden. Insofern stellen sich bei Radon - Studien, die das Rauchen nur ungenügend kontrollieren oder einen überproportional hohen Anteil Raucher unter den Kontrollen aufweisen nicht nur die Risikoschätzungen in Frage, sondern ebenso die berechneten Signifikanz - Werte.
Fussnoten
- Berechnungsvorschrift: 15.68 = (98.1/1.9) : (76.7/23.3)
- PreCura - Institut f�r Pr�ventive Medizin e.V., Analysis of the likelihood of female inhabitants of Schneeberg and Schlema (Saxony) contracting lung cancer ... (Schneeberg Study) 1999
- Wichmann u.a., Lungenkrebsrisiko durch Radon in der Bundesrepublik Deutschland (West),1997
- R. Doll Mortality from Lung Cancer among Nonsmokers. British Journal of Cancer 7, 1953, 303-3730
- E.C. Hammond Smoking in Relation to the Death Rates of One Million Men and Women National Cancer Institute Monogr. 19, 1966, 127-204
- R. Doll, R. Peto Mortality in Relation to Smoking: 20 Years� Observations on Male British Doctors. British Medical Journal, 1976, 1525-1536
- J.H. Lubin et al. Patterns of Lung Cancer risk According to Type of Cigarette Smoked Intern. J. Cancer 33, 1984, 569-576
- Gesundheitswesen, Reihe S. 3, Fragen zur Gesundheit, Fachserie 12, Statistisches Bundesamt 1992